Page 11 - BDB-Spezial_1-2020
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Decken- und Wandgestaltung als akustischer Rettungsanker
Aktuell zeichnet sich ein Paradigmenwechsel am Entwurfs- himmel ab: Mit steigender Erwartung vieler Bauherrn und Investoren bezüglich überzeugender Atmosphäre und guter Raumakustik in neu zu schaffenden Räumen, wächst auch die Bereitschaft zahlreicher Architekturschöpfer, Raumbekleidun- gen als Architekturelemente zu begreifen und als unverzicht- bare Bestandteile eines charakteristischen Gesamtkonzeptes anzuerkennen. Räume für das „Wort“ und Säle für „Musik“ inspirieren differenzierende Entwurfsgedanken hinhörlich Größe, Form, Proportion und Material. Sprachverständlichkeit ist stets Folge idealen Zusammenwirkens sprechender und hörender Menschen in umgebendem und unterstützendem Raum. Für Musikliebhaber mutiert der Raum selber zum Inst- rument und inkludiert zum orchestrierten Hörgenuss.
Die neue Lust auf Decken und Wände korreliert mit der Entde- ckung des Gestaltungsspielraumes „Raumakustik“. Zum gewohnt visuell „Schönem“ gesellt sich innovativ akustische „Klangqualität“.
Schöpferischer Anspruch zahlreicher Architekten formuliert sich analog der Ausdruckskraft von Komponisten und bilden- den Künstlern.
Die Poesie des Raumes wird immer häufiger mit der Metapher „Klang des Raumes“ umschrieben und begeisterte Augen und Ohren konstatieren neue Raumqualitäten, die nicht zuletzt durch Decken- und Wandgestaltung zunächst sichtbar, dann auch hörbar und schließlich erlebbar werden.
Architekten sind Komponisten, die den Räumen Klang und Atmosphäre verleihen; sind entsprechend „Instrumenten- bauer“, die den Raum „stimmen“ – ihm eine Stimme und ori- ginellen Klang verleihen.
Resümée
Würden Räume von Anfang an mit gleicher Intensität syn- chron und parallel zwischen Sehen und Hören entwickelt, wären nachträgliche Optimierungsbemühungen bezüglich Raumakustik überflüssig.
Raum unterstützt Aufmerksamkeit und Konzentration auf Sprachinformation durch Verringerung von Störquellen und Nachhallzeiten bei gleichzeitiger Steigerung von Absorption.
Passives Reduzieren von Nachhall und Vermeidung störender Reflexion, solange bis nur noch unverfälschter Direktschall des gesprochenen Wortes zu vernehmen ist.
Musikliebhabern dagegen verleiht der Raum durch ein Mehr an reflektierender Formvielfalt und Interaktion jeden Instru- ments mit vielfältig gestimmtem Raum das Attribut Gesamt- kunstgenuss.
Aktivierung des gesamten Reflexionspotenzials des Raumes auf alle zum Einsatz kommenden Instrumente – der „gestimmte“ Raum – analog einer feinen Ausbalancierung zwischen hohen und tiefen Frequenzen, lauten und leisen Tönen hin zu einem ausgewogenen Zusammenklang
Prof. Rudolf Schricker Dipl. Ing. Innenarchitekt BDIA Stuttgart Coburg
Gymnasium Oberursel, Fotos: Staudigel GmbH
Bayerischer Landtag München
BDB-Nachrichten Journal spezial – Akustik/Decke
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